Luftakrobaten – unsere Falken

Der Turmfalke – der Rüttler

Porträt

 

 

Seine herausragende Fähigkeit ist es, „in der Luft stehen zu bleiben“. Mit schnellem Flügelschlag versteht er es, an einem Punkt zu verharren und den Boden nach Beutetieren wie Mäusen oder Eidechsen abzusuchen. Dabei verbringt er das Kunststück, seinen Rüttelflug so zu gestalten, dass sein Kopf unbeweglich bleibt, während der Rest seines Körpers dauernd in unruhiger Bewegung ist. So bewahrt er seinen sicheren Blick. Erspäht er eine Beute, fällt er im Sturzflug wie ein Stein zu Boden, muss aber vor dem endgültigen Aufschlag mit Flügeln und Schwanz noch abbremsen. Dennoch trifft er immer noch mit erheblicher Geschwindigkeit auf den Boden, sonst wäre das Beutetier entwischt. -
Der Turmfalke ist unser häufigster Falke, auch in der Stadt. Voriges Jahr hat ein Paar zwischen Hindenburg- und Frauenstraße drei Jungvögel aufgezogen. Die Flügelspannweite von ca. 75 cm gibt einen Eindruck von seiner Größe.

 

 

                                     Weibchen                                                                                                                            Männchen

 

obere Reihe: Flugbilder eines kämpfenden Männchens

untere Reihe: Falke mit Beute (Maus bzw. Eidechse), Kopula und Kotabgabe

 

Einzelbilder einer Rüttelphase

 

Der Baumfalke – Flugjäger Nummer 1

 

Baumfalken (Flügelspannweite ca. 80 cm) kann man leider nur selten beobachten. Voriges Jahr konnte ich einmal erleben, wie einer durch einen lockeren Schwarm von Uferschwalben flog und scheinbar so ganz nebenbei mit seinen Füssen eine neben ihm fliegende Schwalbe packte und mit ihr weiterflog. Heuer hatte ich zwar nur eine Beobachtungsmöglichkeit, aber die war umso ergiebiger: Ein Baumfalke streicht mit flottem, Mauersegler ähnlichen Flug ein Altwasser ab, fliegt lang gezogene Schlingen, variiert die Höhe über dem Wasser und jagt fliegende Libellen. Auch diese ergreift er mit einem Fuß und frisst sie in der Luft. Dieses Schauspiel präsentiert er mir mindestens eine halbe Stunde lang, und ich kann ihn fotografieren. - Seine Seltenheit ist möglicherweise der geringen Häufigkeit großer Fluginsekten geschuldet.

 

Baumfalke jagt Libellen, frisst sie im Flug

 

Der Wanderfalke – Flugjäger Nummer 2

 

Er ist unser größter Falke (Flügelspannweite bis über 1m) und mittlerweile wieder häufiger geworden. Er fängt im Stoßflug Beute bis zur Größe von Enten, aber auch Singvögel und Tauben.
Letzteres nicht zur reinen Freude der Taubenzüchter. Er sucht im rasanten Höhenflug Beute, die unter ihm fliegt, und stürzt sich im rasenden Sturzflug (bis zu 300 km/h) darauf. Der Stoß kann direkt von oben erfolgen, aber auch von der Seite und sogar von unten (wenn er an der Beute zuerst vorbeifliegt und danach die Richtung  wechselt). Der Aufschlag der Fänge auf das Beutetier ist so hart, dass es vermutlich dadurch schon infolge der Schockwirkung stirbt.
Wegen seiner sensationellen Jagdweise war der Wanderfalke bei Falknern hoch begehrt. Er wurde zur Flugjagd abgerichtet. Die Falknerei hatte schon vor Jahrhunderten einen hohen (Sozial)Status, heute noch vor allem in arabischen Ländern. Dort werden abgerichtete Großfalken sehr teuer bezahlt. Besonders geschätzt sind Tiere, die darauf dressiert sind, auch Großtrappen  (Vögel mit einem Gewicht bis zu 16 kg !!) zu attackieren, indem sie diese am Kopf packen und festhalten. Den Rest muss dann der Falkner selbst erledigen. Für solche Falken werden Dollar-Summen in 5-stelliger Höhe bezahlt. Als früher mit dem aufkommenden Einsatz von DDT die Schalen der Greifvogeleier immer dünner wurden, sank auch der Bruterfolg der Beutegreifer so stark, dass sie großenteils vor dem Aussterben standen. Wildvögel für die Falknerei gab es dadurch  immer weniger und der illegale Schmuggel mit Jungvögeln und Falkeneiern kam groß in Mode. Erst strikte Schutzmaßnahmen und das Aussetzen  von Wanderfalken, die von Falknern aufgezogen wurden, sicherten ihr Überleben in der freien Wildbahn.

 

adlulter Wanderfalke, Flugbilder

 

Wütender Sprössling führt sich auf, weil Mama oder Papa nix zum Fressen bringen.
Die Flugkunst und Jagdtechnik seiner Eltern muss er noch lernen.

 

Was finden wir bei den drei Falken-Arten als Gemeinsamkeit?

 

  •  Relativ schmale Schwingen ermöglichen einen schnellen Flügelschlag, wendige Manöver und hohe Beschleunigung.
  • Die Beute wird mit den Krallen gefasst und mit dem krummen Schnabel getötet.
  • Für ihre Jagdweise haben sie hoch spezialisierte Augen: Sie können auf große Entfernung scharf sehen und ihre Augen besitzen ein hohes zeitliches Auflösungsvermögen. Das meint:  Während wir Menschen bereits bei 20 Bildern in einer Sekunde nicht mehr das Einzelbild erkennen, sondern einen Film sehen, müssen die Falken in der Lage sein, in einer Sekunde viel mehr Einzelbilder zu sehen und diese auch zu unterscheiden, sonst könnten sie ihr (sich ebenfalls bewegendes) Beuteobjekt nicht als einen Punkt ausmachen und im schnellen Flug erfolgreich darauf zielen.
    Nebenbei: Bei Turmfalken ist nachgewiesen, dass sie auch UV sehen können. Kot und Urin von Mäusen strahlen UV-Licht ab. So finden sie leicht die Plätze, an denen Mäuse in hoher Dichte leben. Das sind dann auch die Plätze, zu denen sie immer wieder zur Jagd zurück kehren. Turmfalken sehen auch bei Dämmerung noch sehr gut.
  • Alle Vögel – nicht nur die Falken – besitzen eine fantastische Körperbeherrschung. Wie wäre es sonst möglich, dass sie bei unruhigen Luftverhältnissen während des Flugs ohne ins Trudeln zu kommen, ihre Beute erspähen, fangen, fressen oder zu einem Landeplatz (Wanderfalke) bringen können.
  • Das Fliegen muss nicht grundsätzlich erlernt werden, offensichtlich aber die Koordination der Flugbewegung, das Einschätzen der Luft- und Windströmungen, das Erkennen und Fangen der Beute und das Landen auf dem Boden.
  • Die Jungvögel sind nach dem Ausfliegen noch wochenlang von ihren Eltern abhängig, die ihnen Futter bringen und zeigen, was sie noch lernen müssen. Ich denke mit Schmunzeln an einen jungen Wanderfalken auf dem Dach einer Kirche, der trotzig zeterte und vor Hunger plärrte, weil wohl seiner Meinung nach das „Hotel Mama“ nicht reibungslos funktionierte.

 

Noch zwei Nebenbemerkungen:

 

Meine Darstellung bringt die Gefahr mit sich, dass jetzt Falken als reißende Bestien betrachtet werden können. Aber sie tun nur, was für ihr Überleben wichtig ist: sie beschaffen sich auf ihre spezielle Art ihre Nahrung, denn das Töten nimmt ihnen kein Metzger ab. Wir Menschen können uns unser Fleisch einfach kaufen.

 

Mit den Falken habe ich nur einen Typ der Flugkunst aufgezeigt, andere Vogelarten besitzen andere Flugtechniken. Aber das Fliegen ist nicht nur von Vögeln erfunden worden! An dem Tag, an dem ich diesen Aufsatz schreibe, sehe ich einen Kohlweißling in scheinbar unbeholfenem Flatterflug auf unsere offenes Garagentor zufliegen, er fliegt aber nicht in die Garage hinein sondern zieht kurz vorher hoch  - weiterhin unbeholfen erscheinend –und fliegt über dem Dach geradeaus weiter.
Mir wird bewusst, wie wenig ich vom Flugvermögen der Tiere verstehe.

 

 

 

Werner Oertel