„Es war einmal“, so fangen alle Märchen an. Es war auch einmal der Wiedehopf in unserem Landkreis… Das ist aber schon an die 50 Jahre her. Seitdem sieht man ihn nur gelegentlich für ein
paar Stunden, wenn er aus seinem Überwinterungsgebiet südlich der Sahara in seinen Brutlebensraum im Norden über uns hinweg fliegt. Bei uns macht er dann schon mal eine Verschnauf- und
Verpflegungspause. Heuer konnten wir diese faszinierenden Vögel – genauso wie im Vorjahr – am 17. April beobachten. Aber umso mehr freue ich mich, dass ich ihn im Urlaub dreimal ausgiebig
beobachten und fotografieren konnte.
Das war das erste Mal in den Cevennen auf dem Causse Méjean. Eigentlich sieht man einen Wiedehopf ja immer zu spät, denn sein Federkleid tarnt ihn am Boden bestens. Erst wenn er auffliegt,
realisiert man beim Näherkommen: das ist doch ein Wiedehopf! Einfacher ist es, wenn er ruft: „upupup“ – dreisilbig, mehrfach wiederholt. Dieser Ruf hat ihm auch seinen Fachnamen gegeben: „Upupa
epops“. Rufende Wiedehopfe sind freilich immer relativ weit entfernt und schlecht zu sehen.
Doch einmal war es ganz anders. Wir sahen und hörten auch keinen Wiedehopf. Aber über den kleinen Feldweg, auf dem wir vorsichtig mit dem Auto entlang fuhren, huschte vor uns ein Mauswiesel mit
Beute im Maul über die Straße. Stehen bleiben, schauen. Kurze Zeit darauf läuft der kleine Marder über den Weg zurück, verschwindet in einem Loch in einer Reihe von Felsbrocken längs des Weges,
und erscheint gleich darauf wieder mit einem Jungvogel im Maul. Dieses Geschehen wiederholt sich noch zweimal. Dann Ruhe. Auf der Steinreihe sitzen jetzt zwei Steinsperlinge und – als
menschlicher Beobachter würde ich sagen – schauen traurig vor sich hin. Das Mauswiesel hat sich in ihrem Nest bedient. Doch: Plötzlich landet neben ihnen ein Wiedehopf mit einer dicken
Insektenlarve im Schnabel und verschwindet in einem anderen Loch. Wir haben sein Nest entdeckt!
Von jetzt an beobachten wir immer wieder die Wiedehopfe. Im Abstand von wenigen Minuten erscheint je ein Elternteil mit Futter, verschwindet mit dem Vorderkörper in der Höhle, sodass nur noch der
Schwanz zu sehen ist. Beim Wegflug steuern sie direkt auf das offene Autofenster zu, schauen mich genau an und ziehen im letzten Augenblick über das Autodach. Das habe ich schon öfter erlebt,
dass sich Vögel nähern und den „Eindringling“ genau fixieren. Offensichtlich werden wir bald als harmlos eingestuft, sie tolerieren unser Dasein und wir können ihnen zuschauen, wie sie Insekten
bringen, den Kot der Jungvögel entsorgen, und auch wie sie die Jungen ein wenig aus der Höhle locken. Es ist aber immer nur ein Altvogel mit den Jungen beschäftigt, der zweite sitzt in der Nähe,
beobachtet das Umfeld und stößt einen Warnruf aus, wenn ein potentieller Nesträuber (Krähe oder Elster) in der Nähe ist. Da verschwinden die Jungen blitzartig in der Höhle.
Das Flüggewerden der Jungen konnten wir leider nicht mehr beobachten, unser Urlaub ging zu Ende.
Und das Mauswiesel? Das war sicher klug genug, keinen Angriff auf die Jungen zu unternehmen. Die drehen sich in einer Gefahrensituation nämlich einfach um und schießen gegen den Räuber eine
Ladung Kot ab, die nicht nur furchtbar stinkt, sondern sicher auch lange in den Augen brennt.
Ein anderes Mal hatten wir an der Algarve ein ruhiges Ferienhaus mit großem Garten gemietet.
Zwei Wiedehopfe kamen täglich am Nachmittag zur Futtersuche. Ich musste nur in die offene Terassentür einen Hocker stellen und mich beim Einfliegen der Vögel vorsichtig vom Zimmer aus kriechend
anpirschen. Die Kamera lag schon auf der Sitzfläche. Mein Beobachtungsschwerpunkt: Wie finden sie ihr Futter? Eigentlich im Prinzip ganz einfach, es war ja zu sehen: sie sondieren fleißig
mit ihrem langen, gebogenen und kräftigen Schnabel im Boden. Wenn sie dann auf eine Futterquelle stoßen, bohren sie den Schnabel manchmal bis zum Ansatz in den Boden und ziehen die Insektenlarve
heraus. Sie wird dann – wie auch bei anderen Vögeln zu beobachten – geknetet, auch einmal in die Luft geschleudert, wieder aufgefangen und schließlich verschluckt. Im Prinzip wirklich ganz
einfach.
Aber: Wie erkennt der Vogel, wenn er auf Futter gestoßen ist? Wie kann er im gebohrten Erdloch den Schnabel noch öffnen, um das Futtertier zu packen? Wie kann er es herausziehen, ohne es wieder
abzustreifen? Dafür existieren von Fachleuten Antworten, und doch bleibt die Faszination und etlicher Raum für weitere Spekulationen. Für mich war es jedenfalls ein wunderbares und kein
selbstverständliches Erlebnis, so detaillierte Beobachtungen machen zu können.
Ein anderes, rätselhaftes Erlebnis bei Castro Marim. Wir standen mit dem Auto am Fuße eines wenig bewachsenen Hügels: rotbraune Erde, gespickt mit großen und kleinen Steinen, einige wenige Büsche
und Bäume. Wir hofften auf einen Triel. Es marschierte eine Schar Rothühner vorbei. Zwei Kiebitze stocherten zwischen den Steinen – ihr Lehrbuchbiotop „sumpfige Feuchtstelle“ war nur 100 m
entfernt, aber scheinbar gerade uninteressant.
Plötzlich tauchte ganz unverhofft ein Wiedehopf auf. Er hob sich mit seiner Tarnfärbung kaum vom gleichfarbigen Untergrund ab. Er lief hin und her, schob immer wieder mal den Schnabel
zwischen Steine und schließlich legte er sich am Fuße eines Baumstammes auf den Boden. Jetzt begann die Show: Flügel öffnen, abspreizen; Federhaube aufstellen, dann den Kopf soweit in den Nacken
legen, dass der Hinterkopf die Schwanzwurzel berührt. In dieser Stellung bleibt er eine ganze Weile. Die gesamte Prozedur wiederholt sich mehrfach. Keine Huderbewegung, d.h. …. . Der Boden,
auf dem er liegt, ist auch gar nicht sandig. Die ganze Gymnastik erinnert mich eher an Yogaübungen. Schließlich streicht er sich mit seinem Schnabel durch die Federn von Flügel und Rücken.
Vielleicht sind Ameisen mit im Spiel? Ihre Säure soll ja Parasiten vertreiben. Die Entfernung ist zu groß als dass ich erkennen könnte, ob der Vogel eine Ameise im Schnabel hat, um mit deren
Säure die Federn zu imprägnieren.
Das alles war spannend und zugleich meditativ. Meditativ vielleicht auch für den Wiedehopf.
Da tauchen wieder die bekannten Fragen auf: Warum macht er das? Wozu dient das ganze Verhalten? Was erlebt er dabei? Usw.
Als Mensch sucht und findet man auch Antworten, die vielfach logisch erscheinen. Aber muss das, was für uns „logisch“ ist, auch zutreffen? Unsere Antworten stammen aus der Sicht der Menschen.
Tiere erleben jedoch ihre Welt ganz anders. Ihre uns bekannten Sinnesorgane wie Augen, Ohren etc. funktionieren zum Teil ganz anders. Ein Falke hat viel schärfere Augen, eine Eule kann eine Maus
noch unter einer 20 cm dicken Schneedecke hören. Vielleicht haben sie auch andere Sinnesorgane, die wir noch überhaupt nicht kennen. Wie orientieren sich Hunde? Wie verarbeitet das Gehirn
die eintreffenden Sinnesreize? Was spüren Tiere, wie erleben sie ihre Umwelt? Sehen sie Farben so wie wir?
Es bleibt die grundsätzliche Frage: Können wir andere Lebewesen jemals wirklich verstehen?